Die neue Grundsteuer

Bescheide anfechten?

Grundstückseigentümer in Niedersachsen erhalten in Sachen Grundsteuer für jedes Objekt drei Bescheide, und zwar über:

  1. den Grundsteueräquivalenzbetrag
  2. den Grundsteuermessbetrag
  3. die Grundsteuer

Erst der letzte dieser Bescheide, der voraussichtlich erst im Jahr 2024 ergeht, enthält eine Zahlungsaufforderung, die beiden erstgenannten Bescheide hingegen nur die Bemessungsgrundlage für die weitere Berechnung der Grundsteuer. Dennoch ist es wichtig, alle drei Bescheide auf Richtigkeit zu prüfen.

Enthält ein Bescheid einen Fehler, sollte gegen ihn innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe der maßgebende Rechtsbehelf eingelegt werden. Welcher Rechtsbehelf dies ist (Einspruch, Widerspruch bzw. Klage) und wo die Einlegung zu geschehen hat, ergibt sich aus der Rechtsbehelfsbelehrung des jeweiligen Bescheides. Wichtig: Versäumt man z. B., den ersten Bescheid aufgrund eines darin enthaltenen Fehlers fristgerecht anzufechten, kann dies nicht mehr mit einem Rechtsbehelf gegen den zweiten oder dritten Bescheid nachgeholt werden. Entsprechendes gilt für etwaige Fehler im zweiten Bescheid.

Klar ist somit, dass die Bescheide bei vorhandenen Fehlern anzufechten sind (z.B., wenn die Größe der Grundstücksfläche nicht richtig berücksichtigt wurde). Gleiches gilt bei Zweifeln an der Richtigkeit eines Bescheides, um mehr Zeit für die Prüfung zu gewinnen. Schwieriger ist die Entscheidung, ob die Bescheide aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken „generell“ angefochten werden sollten. Ein eindeutiges „ja“ oder „nein“ gibt es hierzu nicht. In der Fachwelt ist das zu empfehlende Vorgehen umstritten.

Auch gegen das neue Grundsteuerrecht (das in Deutschland nicht überall gleich ist) werden verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Je nach Modell der einzelnen Bundesländer sind die Bedenken mal stärker, mal schwächer. Das niedersächsische Modell ist eines, gegen das im Vergleich zu Modellen in anderen Bundesländern tendenziell weniger Bedenken erhoben werden. Gleichwohl können auch dagegen Bedenken erhoben werden, z.B. weil die Gemeinden in der Regel die für die Höhe der Grundsteuer maßgebenden Hebesätze noch gar nicht festgesetzt haben und es daher noch unklar ist, wie hoch die Grundsteuer überhaupt ausfallen wird (möglicher Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip). Ebenso könnte aufgrund der teils sehr unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Deutschland ein Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip gerügt werden. Ferner gründet die Bewertung für Grundsteuerzwecke auf pauschalierenden Verfahren, die den Besonderheiten des Einzelfalls nicht hinreichend gerecht werden könnten. Da auch nicht die Möglichkeit des Nachweises eines tatsächlich geringeren Verkehrswertes offensteht (z.B. durch ein Verkehrswertgutachten), könnte ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip gegeben sein.

In einzelnen Bundesländern sind erste Verfahren vor Finanzgerichten anhängig. In Niedersachsen will jedoch zumindest der dortige Landesverband des Bundes der Steuerzahler offenbar keine Musterklage erheben, da seines Erachtens nach die Vorteile des niedersächsischen Modells dessen Nachteile überwiegen. Ob die neuen grundsteuerlichen Regelungen seitens der Rechtsprechung für verfassungswidrig erachtet werden, z. B. aufgrund etwaiger anderweitiger Klagen, ist derzeit gleichwohl offen. Aktuell gibt es auch noch keine einheitlichen Erfahrungswerte bzgl. der Handhabe der Finanzämter: Manche weisen die Einsprüche zeitnah als unbegründet zurück, andere schieben die Bearbeitung zunächst noch auf.

Letztlich ist festzuhalten, dass gegen die Bescheide über den Grundsteueräquivalenzbetrag und den Grundsteuermessbetrag ein Einspruch das einzige Mittel ist, um die steuerliche Veranlagung offen zu halten. Legt der Grundstückseigentümer keinen Einspruch ein, entfaltet der betreffende Bescheid grundsätzlich unabwendbar Bindungswirkung für das weitere Verfahren. Durch den Einspruch gewinnt der Grundstückseigentümer zumindest gewisse Zeit, um die Entwicklung in der Rechtsprechung beobachten zu können. Ein Einspruchsverfahren löst auch keine Gebühren aus, die vom Finanzamt in Rechnung gestellt werden. Es ist allerdings möglich, dass das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurückweist und der Grundstückseigentümer sodann entscheiden muss, ob er zum weiteren Offenhalten der Veranlagung den Klageweg beschreiten will, der Kosten nach sich ziehen kann.